Das Phänomen „Sprechen im Schlaf“ kann bei dem Bett- oder Zimmerpartner entweder zur Erheiterung beitragen oder ins Gegenteil umschlagen. Wenn die nächtliche Plauderei einfach kein Ende nimmt und an einen erholsamen Schlaf nicht mehr zu denken ist, gibt es ein Problem. Um dauerhafte Schlafstörungen zu vermeiden, bleibt dann manchmal nur der nächtliche Umzug in einen anderen Raum.
Für Betroffene ist die Vorstellung, im Schlaf möglicherweise Geheimnisse auszuplaudern oder verräterische und peinliche Äußerungen von sich zu geben, eher gruselig und auch beunruhigend. Von den nächtlichen Selbstgesprächen bekommen sie nämlich nichts mit.
Worüber wird denn überhaupt so im Schlaf gesprochen? Wer ist von dem Phänomen betroffen, ist das Reden im Schlaf ungefährlich und wann solltest Du besser einen Arzt oder eine Ärztin aufsuchen? Antworten auf die Fragen und was Du gegen das nächtliche Geplapper unternehmen kannst, erfährst Du hier.
Was ist Somniloquie?
Schlafmediziner*innen sprechen von einer Somniloquie oder auch von einer Somniloquia oder Somniloquenz, wenn Menschen im Schlaf sprechen. Es handelt sich dabei um eine leichte Schlafstörung, die den Parasomnien zugeordnet wird. Somniloquie ist keine Krankheit. Es sind unerwünschte und unangemessene Verhaltensauffälligkeiten, die im Schlaf auftreten.
Andere Parasomnien sind neben der Somniloquie z.B. der Nachtschreck (Pavor nocturnus), Schlafwandeln, Schlaftrunkenheit, Albträume, Schlaflähmung, nächtliches Bettnässen (Enuresis nocturna) oder Zähneknirschen (Bruxismus).
Parasomnien müssen nicht unbedingt die Qualität des Schlafes beeinträchtigen. Einige Betroffene wachen trotz der nächtlichen Aktivitäten am nächsten Morgen erholt auf, andere wiederum fühlen sich am nächsten Tag nicht so fit, weil der Gesamtschlaf gestört ist.
Schlafforschung: „Sprechen in Verbindung mit Schlaf“
Im Bereich der Schlafforschung hat Dr. Arthur Arkin die Definition des Phänomens Somniloquie in seinem Werk „Sleep Talking – Psychology and Psychophysiology“ („Reden im Schlaf – Psychologie und Psychophysiologie“) von 1982 noch weiter konkretisiert. Ihm zufolge sollte das Phänomen Somniloquie als ein „Sprechen in Verbindung mit Schlaf“ bezeichnet werden und nicht einfach nur als ein „Sprechen im Schlaf“. Er begründet es damit, dass die Äußerungen während des Schlafens meistens in Verbindung mit Bewegungen und möglichen Weckreaktionen stehen.
Bei einer Somniloquie wird zwischen klar formulierten und gemurmelten, unverständlichen Worten unterschieden, die aber trotzdem den Eindruck von Sprache vermitteln. Beim „Sprechen in Verbindung mit Schlaf“ gehören außerdem nicht sprachliche Töne wie Grunzen, Stöhnen, Ächzen und Seufzen dazu. Laute wie Weinen, Lachen oder Wimmern haben zudem eine psychologische Qualität.
Die gesprochenen oder gemurmelten Worte sind oft nicht verständlich, weil die Muskeln, die wir zum Sprechen benötigen, im Schlaf meistens inaktiv sind. Auch nehmen betroffene Personen die reale Umgebung nicht bewusst wahr, während sie im Schlaf brabbeln.
In welcher Schlafphase tritt Somniloquie auf?
Wir durchlaufen während der Nacht vier Schlafphasen, die einen Schlafzyklus bilden. Ein Schlafzyklus dauert etwa 90 Minuten an: 40 Minuten nehmen die ersten beiden Schlafstadien, die Einschlafphase und Leichtschlafphase in Anspruch, 50 Minuten die Tiefschlafphase (Non-REM-Schlaf) und die Traumphase (REM-Phase) mit den vielen schnellen Augenbewegungen, die als Rapid Eye Movement bezeichnet werden. Die Zyklen wiederholen sich vier- bis sechsmal pro Nacht.
Wenn wir im Schlaf einzelne Wörter oder Sätze sprechen oder nuscheln, tun wir das üblicherweise während des Wechsels zwischen den verschiedenen Non-REM-Schlafphasen oder während des Schlaf-Wach-Übergangs. Aber auch wenn wir uns in der Traumwelt des REM-Schlafs befinden, können wir geträumte Worte von uns geben.
Lautäußerungen im REM-Schlaf können bei jedem Menschen auftreten. Durch Albträume oder andere aufregende Träume können wir tatsächlich nicht nur im Traum, sondern auch in der realen Welt murmeln, reden, stöhnen, seufzen oder auch schreien. Oft erwachen wir dann aus dem Schlaf und je nachdem wie intensiv wir geträumt haben, liegen wir schweißgebadet oder mit Herzklopfen im Bett.
Somniloquie: Wer ist davon betroffen?
Kaum zu glauben, aber nächtliches Reden kommt in der Allgemeinbevölkerung scheinbar häufiger vor, als man denkt. 5 % der Erwachsenen sollen von dem Phänomen betroffen sein und bei Kindern liegt die Häufigkeit bis zur Pubertät bei 50 %. Inwieweit die Zahlen stimmen, bleibt jedoch fraglich, denn viele Betroffene nehmen es gar nicht bewusst wahr, wenn sie im Schlaf reden.
Die Angaben basieren daher auf Berichten von Partner*innen oder Eltern, die noch wach sind und daher das Phänomen bei ihrem Kind oder Baby beobachten können. Die Dunkelziffer ist mit Sicherheit höher, z.B. wenn der Partner oder die Partnerin das nächtliche Reden gar nicht bemerkt oder betroffene Personen alleine schlafen und niemand zuhört.
Nächtliches Reden, Schreien und Weinen kommt demnach besonders häufig bei Babys und Kindern vor. Geschlechtsspezifisch sprechen Männer im Vergleich zu Frauen etwa doppelt so oft im Schlaf.
Somniloquie: Worüber sprechen wir im Schlaf?
Sprechen im Zusammenhang mit Somniloquie wird meistens eher als ein Murmeln, Brabbeln, Stammeln, Flüstern, Stöhnen oder Schreien beschrieben, denn es werden vielmehr unverständliche Laute oder Wortfetzen ausgestoßen als ganze Worte oder Sätze.
Können betroffene Personen also erleichtert aufatmen und die große Befürchtung, in der Nacht möglicherweise aus dem Nähkästchen zu plaudern, tritt gar nicht ein?
Französische Wissenschaftler der Universitäten in Paris und Lyon beobachteten dazu in einem Schlaflabor in Paris Menschen, die im Schlaf sprechen. Die Studie „What Does the Sleeping Brain Say? Syntax and Semantics of Sleep Talking in Healthy Subjects and in Parasomnia Patients“ wurde in dem internationalen Magazin für Schlafforschung „SLEEP“ im Jahr 2017 veröffentlicht.
Die Probanden mussten zwei Nächte im Schlaflabor verbringen. Es wurde eine sogenannte Polysomnographie durchgeführt, d.h. die Schlafenden wurden über Video beobachtet und Laute aufgezeichnet. Die Äußerungen wurden u.a. anhand der Anzahl der gesprochenen Wörter, Aussagen und Sprechepisoden, der Häufigkeit oder Ausführlichkeit von 883 Sprachepisoden ausgewertet:
- 3349 klar verständliche Worte wurden gesprochen.
- 59 % nicht verbale Laute und Töne wie Murmeln, Lachen, Flüstern oder Schreien wurden von sich geben.
- Das Wort „Nein“ wurde am häufigsten gesprochen (21,4 % der Äußerungen).
- Eine Art Verhör oder Befragung kam in 26 % der Fälle vor. In 12,9 % wurden Nebensätze gesprochen.
- 9,7 % der Äußerungen hatten obszöne Inhalte.
- Im REM-Schlaf wurde mehr und länger beschimpft, verurteilt und beleidigt.
- Männer sprachen mehr und fluchten häufiger als Frauen und benutzen Schimpfwörter.
Die Häufigkeit von Verneinungen, Beschimpfungen, Fluchen und das Verwenden von obszöner Sprache lässt vermuten, dass unser Gehirn während des Schlafens in angespannte Situationen wie Streitereien oder Konflikte gerät. Ob die Äußerungen im Schlaf den wahren geistigen Inhalt des Moments wiedergeben, konnten die Wissenschaftler*innen abschließend nicht klären.
Laut der Studie kann es also durchaus vorkommen, dass die Äußerungen und Laute im Schaf unangenehm werden könnten, insbesondere dann, wenn wir nachts schreien oder wenn es um unangebrachte obszöne Inhalte und Beschimpfungen geht.
Somniloquie: Ursachen und auslösende Faktoren
Die möglichen Ursachen für Somniloquie wurden im Rahmen der Schlafforschung noch nicht ausreichend untersucht. Daher kann auch keine konkrete Ursache für das Sprechen im Schlaf verantwortlich gemacht werden. Es gibt aber nachweislich einige Faktoren, die das nächtliche Sprechen begünstigen können:
- Psychische Belastungen: Stress, Ängste und Sorgen tragen zu einem schlechten Schlaf bei. Unser Gehirn muss nachts dann viel verarbeiten, was die Wahrscheinlichkeit für das Reden im Schlaf erhöht.
- Erkrankungen: Krankheiten, Fieber und Medikamente können unseren Schlaf ebenfalls stören und das Reden in der Nacht begünstigen.
- Andere Parasomnien: Sprechen im Schlaf tritt oft mit anderen Parasomnien wie z.B. Nachtschreck oder Schlafwandeln auf.
- Schlafmangel und Schlafentzug können eine Somniloquie auslösen.
- Genussmittel und Drogen: Der regelmäßig hohe Konsum von Alkohol und anderen Drogen führt auf Dauer nicht nur zu einem gestörten Schlaf-Wach-Rhythmus aufgrund von Schlafstörungen, sondern kann auch das nächtliche Sprechen auslösen.
- Genetische Faktoren: Es scheint einen Zusammenhang zwischen Somniloquie und Vererbung zu geben. Schlafforscher gehen davon aus, dass das Phänomen familiär weitergegeben werden kann.
Somniloquie: Wann solltest Du einen Arzt oder eine Ärztin aufsuchen?
Generell zählt Somniloquie zu einer leichten Form der Schlafstörung, die sich in den meisten Fällen nicht negativ auf die Schlafqualität auswirkt. Somniloquie ist für Betroffene ungefährlich, für Zimmer- oder Bettpartner*innen kann es allerdings nervig und schlafraubend werden.
Solltest Du aber durch das regelmäßige Reden in der Nacht unruhig schlafen, wodurch die Schlafqualität beeinträchtigt und der Tag-Nacht-Rhythmus auf Dauer in Mitleidenschaft gezogen wird, solltest Du mit Deinem Arzt oder Deiner Ärztin sprechen.
Es ist wichtig, dass sich aus unruhigen Nächten keine chronischen Schlafstörungen entwickeln, die mit einer Vielzahl an gesundheitlichen Beschwerden einhergehen und die Lebensqualität stark einschränken können.
Somniloquie: Therapie
Im Allgemeinen ist das Reden im Schlaf eine harmlose Angelegenheit. Wenn Du unter keinen Begleiterscheinungen leidest, die sich negativ auf Deine Schlaf- und Lebensqualität auswirken, dann benötigst Du in der Regel auch keine Behandlung.
Anders sieht es aus, wenn Du selbst unter dem nächtlichen Gebrabbel leidest oder eben die Menschen, mit denen Du das Zimmer oder Bett teilst. Führt die Somniloquie zu einem chronischen Schlafmangel oder zu Schlafstörungen solltest Du eine Behandlung in Erwägung ziehen. Gleiches gilt, wenn die Somniloquie in Verbindung mit anderen Schlafstörungen wie dem Schlafwandeln (Somnambulismus) steht.
Mit folgenden Therapiebausteinen kannst Du versuchen, das Reden im Schlaf zu reduzieren:
Es ist empfehlenswert, die persönliche Schlafhygiene zu überprüfen und eventuell anzupassen oder zu verbessern. Steht bei Dir körperlicher, psychischer oder sozialer Stress im Vordergrund, haben sich Entspannungsmethoden zur Erholung bewährt. Auch eine psychotherapeutische Behandlung bei Ängsten, psychischen Belastungen oder Traumata, die möglicherweise im Zusammenhang mit der Somniloquie stehen, könnte hilfreich sein.
- Schlafhygiene verbessern
- Entspannungsmethoden lernen
- Psychotherapie
- Medikamentöse Behandlung
1. Schlafhygiene verbessern
Eine der ersten Maßnahmen, die Du ergreifen könntest, wäre eine Verbesserung der Schlafhygiene. Damit lässt sich möglicherweise die Häufigkeit der Gespräche in der Nacht reduzieren. Für einen guten Schlaf sorgen Vorkehrungen wie:
- Optimale Schlafumgebung schaffen: Zimmertemperatur 18° bis 19° Celsius, für einen dunklen, ruhigen und geräuscharmen Raum sorgen.
- Individuell angepasste Bettausstattung wählen (Matratze, Kissen, Bettbezüge).
- Blaulicht von Smartphones und elektrische Geräte wie Fernseher, Computer aus dem Schlafzimmer verbannen.
- Möglichst auf Alkohol, schwere Mahlzeiten und Koffein vor dem Schlafengehen verzichten.
- Regelmäßige Schlafenszeiten einhalten.
- Stress vermeiden.
- Regelmäßig an der frischen Luft bewegen.
- Schlafrituale einführen, z.B. abendliches Entspannungsbad, Tee trinken.
Ausführliche Informationen für eine gute Schlafqualität gibt es hier: Schlafhygiene - Die besten Tipps für einen gesunden Schlaf.
2. Entspannungsmethoden lernen
Das Erlernen von Entspannungstechniken wie Autogenes Training, Progressive Muskelentspannung, Yoga, Tai-Chi oder Qi Gong hat sich bei jeder Form von Stress bewährt. Als Anfänger*in ist ein Einführungskurs sehr zu empfehlen, regelmäßig trainieren kannst Du dann ganz einfach bei Dir zu Hause.
In Sportvereinen, Volkshochschulen und Fitnessclubs werden Einführungskurse angeboten. Die meisten Krankenkassen bezuschussen Kurse für Entspannungsverfahren, die Konditionen können jedoch variieren. Am besten erkundigst Du Dich im Vorfeld bei Deiner Krankenkasse, ob sie die Kosten übernimmt und wie hoch der Anteil ist.
3. Psychotherapie
Sind möglicherweise psychische Probleme wie Stress, Sorgen, Angststörungen oder Traumata für die nächtlichen Selbstgespräche verantwortlich, solltest Du eine psychotherapeutische Unterstützung in Erwägung ziehen.
4. Medikamentöse Behandlung
Clonazepam ist ein Medikament aus der Gruppe der Benzodiazepine und kann als eine sogenannte „Off-Label-Therapie“ („off-label-use“) bei einer Somniloquie eingesetzt werden. Es handelt sich dabei um einen Therapieversuch mit einer Arznei, die außerhalb der von den Arzneimittelbehörden zugelassenen Indikationsgebiete Anwendung findet. In dem Sinne wird Clonazepam bei Somniloquie als Beruhigungsmittel (Sedativum) und Angstlöser (Anxiolytikum) eingesetzt.
Das Medikament geht jedoch mit einer Reihe an unerwünschten Nebenwirkungen einher: Müdigkeit, Benommenheit, Leistungsabfall, Konzentrationsstörungen, Gedächtnisstörungen. Schwindel, Muskelschwäche oder Magen-Darm-Störungen.
Die Einnahme eines solchen Medikamentes bei Somniloquie sollte immer in Relation zu dem möglichen Nutzen und den Nebenwirkungen gesetzt werden. Solange Du „nur“ im Schlaf sprichst und sonst keine Schlafprobleme hast, solltest Du möglichst auf die Einnahme solcher Medikamente verzichten und den Fokus auf die Schlafhygiene und Entspannungsmethoden richten.